FAIRES WAHLRECHT Leserbrief Dr. Rudolf Gehring vom 12. Jun 2017 
FAIRES WAHLRECHT
Sehr geehrter Herr Aichinger,
das geltende Wahlrecht ist weder fair noch gerecht, sondern absolut unfair und in vielen Punkten ungerecht bzw. wählerfeindlich.
Alle vergangenen Wahlen zeigen, dass in Österreich dringend eine umfassende Wahlrechtsreform nötig ist. Es geht nicht um die einzelnen Ergebnisse, sondern um eine Tendenz, die eigentlich alle Demokraten in diesem Land nachdenklich stimmen müsste.
Die Wahlbeteiligung sinkt beständig. Viele Bürger nützen aus Enttäuschung über die Politik der regierenden Parteien ihr demokratisches Wahlrecht nicht mehr und verzichten auf eine Mitbestimmung in gesellschaftspolitischen Fragen.
Die Folge ist, dass vielfach nur mehr Minderheiten regieren. Ganz besonders erkennbar ist diese negative Entwicklung auf Bundesebene, wo die Regierungskoalition bei der letzten Nationalratswahl nur mehr eine Zustimmung von weniger als 38 % der Wahlberechtigten erhalten hat. Die größte „Partei“ ist nach wie vor die der Nichtwähler!
Diese Entwicklung ist für unsere Demokratie und für unseren Rechtsstaat sehr bedenklich.
Für mich gibt es einige wesentliche Eckpunkte einer Wahlrechtsreform, welche mehr Gerechtigkeit und Fairness bringen soll:
.) die Aufteilung der Mandate nach der erreichten Stimmenanzahl,
.) die Aufhebung jeder Prozenthürde,
.) die Abschaffung des Unterstützungsunterschriftensammelns, weil dies mit dem Wahlgeheimnis nicht
vereinbar ist,
.) die Aufhebung des Klubzwanges, damit der einzelne Mandatar frei ist, die Interessen der Wähler zu
vertreten,
.) die Reduzierung der Parteienförderung aus Steuergeldern,
.) die Beseitigung aller schikanösen und wählerfeindlichen Bestimmungen für eine Kandidatur,
.) die Verkürzung der Gesetzgebungsperiode auf 4 Jahre.
Die Stimme jedes Wählers muss denselben Zählwert und jede Partei muss die gleiche Chance bei der Verteilung der Sitze haben. Alle Prozenthürden zur Erreichung eines Mandates sind daher verfassungswidrig und sollten aus den entsprechenden Wahlgesetzen unverzüglich beseitigt werden.
Den Wert einer Demokratie erkennt man unter anderen am Umgang der Mehrheit mit den Minderheiten.
In Österreich wird jedoch regelmäßig von einem Mehrheitswahlrecht geredet, weil man „klare Verhältnisse wolle und neue Parteien bzw. Kleinparteien beim Regieren eine Belastung seien“.
Jedes Mehrheitswahlrecht verschafft aber in ungerechter Weise einer Minderheit die absolute Mehrheit im Parlament/Landtag/Gemeinderat und dient lediglich dem Machterhalt entgegen dem Wählerwillen.
Wollen wir tatsächlich eine Regierung von „Machtmenschen“?
Die Lösung liegt in einem echten Verhältniswahlrecht auf allen Ebenen, wonach die Mandate und auch die Regierungssitze streng nach dem Stimmenergebnis, also dem Wählerwillen, zugeteilt werden.
Vielfalt ist besser als Einfalt!
Für jede Regierungsentscheidung würde eine Mehrheit genügen, sodass Minderheiten oder Einzelpersonen wichtige Entscheidungen nicht blockieren können.
Damit wären die sogenannten Koalitionsverhandlungen (= oftmals monatelanger Stillstand und Lähmung bei wichtigen Fragen) nicht mehr erforderlich, die lediglich ein Feilschen um die Machtbereiche bedeuten und deren Ergebnisse oftmals dem Wählerwillen widersprechen. Jede Regierung könnte sich unverzüglich nach jeder Wahl konstituieren und mit der Arbeit für das Land und seine Menschen beginnen.
Noch könnte das Parlament ein faires und gerechtes Wahlrecht schaffen – die Wähler würden es danken!
Mit besten Grüßen
Dr. Rudolf Gehring
Generalsekretär CPÖ
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